Es war einmal ein kleiner, blauer Wellensittich. Eine gemeine Fügung des Schicksals hatte es so gewollt, dass er Breireste in den Federn seines Gesichts kleben hatte. "Das ziept und zerrt, wann immer ich mich bewege, weil alles verklebt ist", jammerte der kleine Vogel. Seine Federlose kraulte ihn, so oft sie nur konnte. Dabei versuchte sie, die Breireste aus den Federn zu reiben - vergebens. Serenios Not wuchs, und deshalb beschloss die Federlose, dass es Zeit für ein ausgiebiges Bad sei. "Oh, wohin bringst du mich, große Federlose?" - Dies schienen die schwarzen Knopfaugen des kleinen Wellensittichs zu fragen. "Ins Badezimmer, mein süßer Fratz, damit du dort im Waschbecken plantschen kannst und endlich die Breireste los wirst." Nach wenigen Sekunden erreichten die beiden Gefährten das Badezimmer. Serenio kannte es, hatte er doch gestern Morgen erst seiner Federlosen bei einem seltsamen Ritual zugeschaut, bei dem sie erst ein großes Etwas in die Hand nahm, dann ein kleines und aus dem Großen eine Paste auf das kleine schmierte. Dann steckte sie sich das kleine Ding in den Mund und bewegte es immer hin und her, bis ganz viel Schaum an ihren Lippen klebte. Danach wusch sie sich den Mund mit Wasser aus. Federlose haben wirklich seltsame Rituale, dachte der kleine Serenio. Er hing seinen Gedanken nach, saß auf dem Finger seiner Federlosen und dachte an nichts Böses, als sich plötzlich unmittelbar vor ihm ein Ungeheuer zeigte: ein tosender Wasserstrahl! "Gehe hinfort, du blubberndes Ungeheuer! Verschwinde dorthin, woher du gekommen bist!", rief der kleine Sittich empört. Doch der Wasserstrahl achtete nicht auf ihn. Serenios Herz klopfte schneller. Konnte es sein, dass dieses Ungeheuer ihn tatsächlich nicht Ernst nahm, obwohl er doch eine gefährliche Waffe bei sich trug? War das Monster etwa so respektlos, seinen spitzen Schnabel, der bereits drohend geöffnet war, zu ignorieren? Der Wasserstrahl plätscherte ungerührt weiter, während Serenio immer ungehaltener wurde. "Hinfort, hörst du? Sonst beiße ich dich!", rief der kleine Vogel ganz außer sich. Doch noch immer brodelte der Wasserstrahl ungerührt weiter.Das war zuviel für den kleinen Sittich. Mutig stürzte er sich auf den Wasserstrahl und hackte nach ihm. Der Kampf währte einige Minuten. Wild mit den Flügeln schlagend bekämpfte der tapfere Serenio den zischenden Wasserstrahl, bis sein Federkleid völlig durchnässt war. Dann, ganz unvermittelt, zog sich der Wasserstrahl zurück. Es schien, als habe Serenio den Kampf gewonnen. Zufrieden mit sich selbst und seinem Sieg über das nasse Element, richtete er sich zu voller Größe auf und schüttelte sein Gefieder. Ihm war nicht aufgefallen, dass die Federlose sich an einem der Hebel der Armatur zu schaffen gemacht hatte, unmittelbar bevor sich der Wasserstrahl in Luft aufgelöst hatte. Das war dem siegreichen Held ohnehin völlig egal. Hauptsache, er hatte einen glorreichen Sieg errungen. Und wenn er nicht gestorben ist, dann trocknet er noch heute.
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